Yogalehrer:in:
Gratwanderung zwischen Selbstverwirklichung und Kommerz?
Daniela Küng
Artikel aus dem Yoga Journal Nr. 55
Befinden wir uns als Yogalehrer:innen auf einer Gratwanderung zwischen dem Weg nach innen und der Vermarktung unseres Angebots nach aussen? Yoga ist inzwischen weltweit ein lukrativer Markt. Trotzdem ist es für viele selbständige Yogalehrer:innen eine Herausforderung, ihren gesamten Lebensunterhalt in diesem Beruf zu sichern. Deshalb ist es wichtig, dass auch sie eine Marketingstrategie verfolgen und sich um die Sichtbarkeit ihres Angebots kümmern.
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Der Kern des Yogawegs ist die Auseinandersetzung mit sich selbst und die Innenschau. Ein Yogameister hat früher keine Werbung für seine Lehren gemacht, die Schüler haben ihn gefunden, wenn sie bereit waren. Die Lehren waren geheim, weil sie ohnehin nur verstanden werden konnten durch Selbstdisziplin, Konzentration und innere Einkehr. Heute ist das anders. Der Yoga ist längst aus der geheimen Ecke gekommen und zum Lifestyle geworden. Man könnte den Yoga heute auch mit einem Konsumprodukt verwechseln, weit weg von den ursprünglichen Lehren.
Der Beruf Yogalehrer ist nicht geschützt – in der Schweiz darf jeder Yogakurse unterrichten. Und jeder darf auch Yogalehrer ausbilden. Die Kursangebote in beiden Bereichen haben in den letzten Jahrzehnten stark zugenommen. Die Pandemie verpasste der Branche zwar einen Dämpfer und einige Anbieter haben ihre Kurse eingestellt, doch inzwischen blüht die Yogaszene wieder richtig auf. Oder spriessen vor allem die Yoga-Angebote wie Pilze aus dem Boden?
Oft sind Yogalehrer keine «Werbemenschen». Denn in der Natur des Yoga liegt die Innenschau, nicht die Ausrichtung nach aussen. Wenn wir jedoch (teilweise) vom Einkommen unserer Tätigkeit als Yogalehrer leben wollen, müssen wir uns auch nach aussen richten und Massnahmen ergreifen, um unser Angebot professionell zu zeigen und sichtbar zu werden. Wir müssen uns ums Marketing kümmern!
Marketing und der Yoga-Markt
Ein Markt besteht immer aus Angebot und Nachfrage. Die Werbung präsentiert die Angebote den Nachfragern. Und manchmal schafft es die Werbung auch, eine Nachfrage zu erzeugen, wo noch gar keine ist. Unter dem Begriff Marketing werden Strategien und Massnahmen zusammengefasst, um Produkte oder Dienstleistungen auf die Bedürfnisse der potenziellen Kunden auszurichten und sie am Markt zu bewerben.
Vor einigen Jahren konnte man bei der Eröffnung eines Yogastudios die regionale Zeitung informieren, welche darüber berichtete. Daneben verteilte man in der Umgebung ein paar Flyer und so fanden sich schon bald einige Kursteilnehmer. Diese haben bei ihren Bekannten vom Yoga geschwärmt, welche dann auch in den Kurs kamen. Yoga war neuartig und exotisch. Es brauchte keine gut ausgetüftelte Marketingstrategie, denn das «Produkt» sprach für sich selbst und die Angebote waren rar.
Inzwischen sind die Medien voll mit glänzenden Fotos von meditierenden Managern und schlanken Frauen im herabschauenden Hund. Yoga ist in aller Munde und auch Krankenkassen, Versicherungsgesellschaften und Banken werben mit der Achtsamkeit. Die sozialen Medien haben den Briefkasten-Flyer abgelöst und einen Artikel in der Zeitung erhält nur noch, wer aus dem Yoga etwas Neues macht. Zum Beispiel Yoga mit Ziegen, Bier-Yoga oder Nackt-Yoga. Und durch die ganzen Neuerfindungen vom Yoga verwässern die ursprünglichen Lehren, verändert sich das «Produkt», das eigentlich keine Werbung braucht. Das Image vom Yoga unterliegt auch dem Wandel der Zeit. Viele Menschen bilden sich ihre Meinung von dem, was ihnen die Medien und die Influencer einflössen. Um den Berufsstand von Yogalehrer:innen zu schützen, ist es wegweisend, dass auch seriöse und authentische Yoga-Angebote im Markt sichtbar sind und bei der Zielgruppe das Interesse wecken, einen «echten» Yogakurs zu besuchen.
Viele wollen ein Stück vom «Yoga-Kuchen»
Heute stehen auch Yogalehrer unter Konkurrenzdruck. Und sie sind nicht nur im Wettbewerb mit anderen Yogalehrern, sondern auch mit Fitnesscentren, Tanzstudios und weiteren Sport- und Wellness-Einrichtungen. Betrachten wir vor allem die geistigen Aspekte des Yoga, dann konkurrieren Yogalehrer auch mit Mental- und Achtsamkeitstrainern etc. Selbst Reiseveranstalter und Hotels sind auf den Yoga-Zug aufgesprungen und wollen ein Stück vom lukrativen Kuchen. Für selbständige Yogalehrer wird es immer herausfordernder, in der Masse an Angeboten die Aufmerksamkeit der Zielgruppe zu gewinnen oder überhaupt sichtbar zu sein.
Denn im Wettbewerb der Sichtbarkeit ist es nicht entscheidend, ob man eine fundierte, mehrjährige Yogalehrer-Ausbildung absolviert hat oder in den Aktiv-Ferien oder über den Bildschirm zum Yoga Trainer geworden ist oder überhaupt eine Yogapraxis hat. Entscheidend ist die richtige Marketingstrategie.
Vor der Strategie braucht es eine Vision
Bei der Marketingstrategie erstellen wir einen Plan, wie wir unser Angebot auf die Bedürfnisse der (potenziellen) Kunden ausrichten und unsere Dienstleistung am Markt bewerben. Dabei haben wir auch ein Auge auf unsere Mitbewerber. Nicht mit der Absicht, deren Angebote zu kopieren oder zu übertrumpfen, sondern um unser Alleinstellungsmerkmal zu erkennen und hervorzuheben. Yogakurse sind auch heute noch etwas sehr Persönliches, obwohl sich das ursprüngliche Lehrer-Schüler-Verhältnis verändert hat. Somit beginnt die Marketingstrategie eigentlich mit einer persönlichen Vision und Fragen wie:
Was sind meine Stärken? Wo habe ich noch Entwicklungspotenzial? Was unterscheidet mich von anderen? Wie und wen möchte ich unterrichten? Was möchte ich mit dem Yoga beruflich erreichen? Ist es ein Hobby, ein Nebenerwerb oder soll es zum Haupterwerb werden?
Erst nach Beantwortung dieser Fragen definieren wir unsere Marketingstrategie. Im Fachjargon spricht man von den «4 Ps», nämlich Product, Price, Place, Promotion. Wir bestimmen, welches Produkt wir zu welchem Preis an welchem Standort mit welchen Werbemassnahmen anbieten.
Es gibt vielfältige und individuelle Möglichkeiten, im Bereich Yoga beruflich tätig zu sein. Durch die vorgängige Auseinandersetzung mit uns selbst finden wir unsere Nische im Markt und definieren unser Angebot – möglichst klar und greifbar. Heute wird Yoga mit allen möglichen anderen Themen gemischt und kombiniert und neu erfunden. Wir erleichtern den Interessenten die Entscheidung für das richtige Angebot, wenn wir uns auf das Wesentliche beziehen, welches unsere Stärken und Ziele repräsentiert. Es geht nicht darum, überall mitmachen zu müssen und jedem Trend zu folgen. Mehr ist nicht mehr – was überzeugt, sind Authentizität und eine klare Vision.
Sichtbarkeit erhöhen on- und offline
Sichtbarkeit ist ein wichtiger Faktor für ein Unternehmen. Sie bezieht sich auf die Präsenz und Auffindbarkeit seiner Produkte oder Dienstleistungen in verschiedenen Kanälen.
Professionelle Website, die im Netz auch gefunden wird
Schon lange informieren sich Interessenten im Internet, wo sie auch Produkte kaufen oder Termine buchen. Eine eigene Website gehört dementsprechend zur Marketingstrategie. Das World Wide Web ist überfüllt mit unzähligen Websites, die mit Hilfe von Suchdiensten gefunden werden können. Damit unsere eigene Website in der Suchergebnisliste (möglichst weit oben) erscheint, sind heutzutage Massnahmen für die Suchmaschinenoptimierung (SEO) nötig. Einfach den Inhalt einer Website mit Keywords vollstopfen ist längst out. Das wird von Google im Kampf ums Ranking sogar «bestraft». Es sind die Lesefreundlichkeit und klare Struktur einer Website, die heute stark gewichtet werden.
Der SEO-Massnahmenkatalog ist umfangreich und komplex. Aber einige Optimierungen kannst du einfach selbst vornehmen:
- Überlege dir, was dein zentraler Suchbegriff ist für dein Angebot und auch, mit welchen Begriffen Interessenten suchen würden. Es ist nicht nur ein Wort, sondern eine Wortgruppe. Zum Beispiel «Yogakurse für Senioren». Dieser Schlüsselbegriff (Keyphrase) sollte dann auch direkt auf deiner Einstiegsseite im ersten Abschnitt erscheinen. Erwähne zudem dein wichtigstes Keyword im Titel (sog. H1-Überschrift) auf deiner Einstiegsseite, z. B. Seniorenyoga.
- Auf deiner Einstiegsseite (Landingpage) solltest du den Text eher kurzhalten, um den Besucher nicht zu überfordern. Nutze die Möglichkeit, mit Verlinkungen auf vertieftere Informationen deines Angebots zu gelangen.
- Backlinks sind Verlinkungen von anderen Webseiten auf deine. Und je «grösser» diese Websites sind, umso gewichtiger bewertet Google diese Verlinkungen. Trage deine Website also in möglichst vielen relevanten Verzeichnissen ein und verlinke dich mit Yoga-Freunden. Ein wertvoller Backlink ist zum Beispiel dein Eintrag im Yogalehrer-Verzeichnis auf der Website vom Schweizer Yogaverband.
- Für Webseiten spielen Metadaten eine besondere Rolle. Sie werden für jede Seite im Hintergrund erfasst und enthalten Beschreibungen des Inhalts der Seite sowie mit dem Inhalt verknüpfte Schlüsselwörter. Eine lohnende Fleissarbeit. Füge auch relevanten Bildern auf deiner Website eine kurze Beschreibung ein (ALT-Tag). So erscheinen sie, wenn jemand bei Google nach Bildern sucht.
- Die Bilder auf deiner Website sollten eine möglichst geringe Dateigrösse aufweisen, um die Ladezeit zu verkürzen (idealerweise weniger 100 KB). Die Dateigrösse kann durch Komprimierungstechniken ohne Qualitätsverlust reduziert werden. Eine kurze Ladezeit ist bedienerfreundlich, und das wiederum schätzen die Suchmaschinen.
Für ein gutes Ranking bezahlen: SEA – Search Engine Advertising
Zuoberst im Google Ranking erscheinen jeweils die Anzeigen. Sie sind auch als solche gekennzeichnet. Mit SEA kann man sein Angebot gezielt jenen Menschen zeigen, die nach den definierten Stichworten suchen. Man hat also keinen sogenannten Streuverlust wie beim Verteilen von Flyern oder Schalten von Inseraten, wo viele vielleicht die Werbung sehen aber gar nicht zur Zielgruppe gehören. Abgerechnet werden die getätigten Klicks auf die Anzeige. Dabei können Klickpreise für hart umkämpfte Keywords wie es auch im Bereich Yoga der Fall ist von ein paar Rappen bis hin zu mehreren Franken reichen.
Sich vernetzen und zeigen auf Social Media
Viele (jüngere) Menschen inspirieren sich in Social Media-Kanälen und suchen dort nach Angeboten. Abhängig von der definierten Zielgruppe nutzen wir also von Vorteil auch Instagram & Co. Beim Posten von Beiträgen auf Social Media sollten wir ebenfalls eine klare Strategie verfolgen und Beiträge planen, anstatt einfach spontan Dies und Das zu posten. Vielleicht erstellen wir gleich eine Serie an Beiträgen, die wir in gewissen Zeitabständen veröffentlichen. Dabei achten wir auf ein attraktives und einheitliches visuelles Erscheinungsbild und gute Fotos oder Videos. Heute gibt es moderne, KI-unterstützte Grafiktools, die es auch Laien ermöglichen, professionelle Designs zu erstellen. Es empfiehlt sich, in Social Media Privates und Geschäftliches zu trennen.
Auch in den sozialen Medien können Anzeigen geschaltet und auf die Zielgruppe und das Zielgebiet abgestimmt werden. Eine vergleichsweise günstige Gelegenheit, um gesehen zu werden.
Wertvoll und kostenlos: Google Business Eintrag
Unternehmen können kostenlos einen Google Business-Eintrag erstellen. Diese Einträge erscheinen lokal bei der Google Suche weit oben und auch auf Google Maps. Sie können mit Fotos und Beiträgen gestaltet und mit der eigenen Website verlinkt werden. Eine wirksame und kostenlose Möglichkeit, in der eigenen Region gesehen zu werden.
Auch offline präsent sein
Ein Grossteil der Werbung findet heutzutage online statt. Aber auch offline sollten wir uns um die Sichtbarkeit unseres Angebots kümmern. Das beginnt zum Beispiel bei der ansprechenden Aussenbeschriftung unseres Yogastudios. Inserate können wirkungsvoll sein, wenn es an unserem Standort eine regionale Zeitung gibt und wir darin regelmässig inserieren. Diese Zeitungen bieten meist auch einen Wiederholungsrabatt an. Ein einzelnes Inserat bringt erfahrungsgemäss wenig.
Und bei der ganzen Überflutung im Internet und E-Mail-Postfach können gedruckte Flyer an strategisch günstigen Orten immer noch eine gute Wirkung erzielen.
Schliesslich: mit dem eigenen Portrait überzeugen
Im Yogaunterricht pflegen wir eine persönliche Beziehung zu unseren Schülern. Die Art und Weise, wie wir den Yoga weitergeben, ist individuell. Haben Interessenten unsere Website gefunden, informieren sie sich neben dem Angebot auch gerne über den Yogalehrer – die jeweiligen Inhaltsseiten «über mich» oder «über uns» werden gut besucht. Hier gilt es, positiv aufzufallen. Diese Portraits weisen jedoch oft das gleiche eher langweilige Muster auf: man liest sich durch den Werdegang sowie die Aus- und Weiterbildungen der Lehrperson. Häufig wird dabei jedes einzelne besuchte Seminar aufgelistet. Daneben erzählt der Yogalehrer, was der Yoga für ihn bedeutet und was die Yogapraxis bei ihm bewirkt. Wäre es für die Kursteilnehmer nicht viel interessanter, wenn sie in diesem Profil erfahren würden, was der Yogalehrer ihnen vermitteln kann? Anstatt (nur) zu berichten, warum der Yogalehrer selbst den Yoga gut findet, könnte er aufzuzeigen, welche Vorteile sein Yogaunterricht dem Schüler bietet und welche Bedürfnisse die Yogastunden abdecken. Das eigene Profil so zu gestalten, dass wir nicht nur von uns erzählen und uns in den Vordergrund stellen, sondern auf die Bedürfnisse der (zukünftigen) Yogaschüler eingehen. Dass wir beschreiben, was wir mit unserem Wissen und unserer Erfahrung bieten können. Ein sympathisches Portraitfoto rundet das Profil ab. Es lohnt sich, dafür einen Fotografen zu engagieren. Selfies und andere «Schnappschüsse» hinterlassen oft keinen guten Eindruck. Und da (Yoga-) Interessierte heute die Qual der Wahl haben, kann der erste Eindruck entscheiden, ob sie zu uns in eine Probelektion kommen oder weitersuchen.
Gut ausgebildete Yogalehrer:innen sollten am Markt mitmischen!
Als Yogalehrer gehen wir vielleicht lieber den Weg nach innen, möchten uns nicht exponieren und sehen die Vermarktung von Yoga und sich selbst vielleicht als Widerspruch zur Yogaphilosophie. Trotzdem sollten wir uns um die Sichtbarkeit unseres Angebots kümmern, sonst verkümmern vielleicht die ursprünglichen Lehren des Yoga und es bleibt nur der moderne Lifestyle und Kommerz. Wir sollten am Markt mitmischen – Yogalehrer ist ein sinnstiftender Beruf. Sorgen wir dafür, dass ein Grossteil des Yoga-Kuchens in den Händen von gut ausgebildeten Yogalehrern bleibt und die Traditionen weiterleben bzw. weitergelebt werden.
Daniela Küng, November 2024